Melanie Sophia Nayyal sprach auf der Abschlusskundgebung:
Hallo Kassel,

im Juni 1969 waren nicht nur Schwule und Lesben in der Christopher Street,sondern vor allem Transgender, denen man in einem vollkommen unsinnigen Erlaß verboten hatte, die Kleidung ihrer geschlechtlichen Identität zu tragen. Auch wir sind heute hier, um zu zeigen, daß TransFrauen undTransMänner im öffentlichen Leben präsent sind und wir wollen allen anderen transsexuellen Menschen Mut machen, auch ihren Weg ins Glück zu gehen. Wir sind Frauen, die in einem männlichen Körper geboren und Männer, die in einem weiblichen Körper geboren wurden.

Wie kann man sich ein Bild eines transsexuellen Menschen machen? Stellen Sie sich vor, Ihr Körper wäre ein dunkles Gefängnis, in dem ihre Seele eingesperrt ist. Eine zeit lang können Sie mit diesem Zustand leben, bis es nicht mehr geht. Sie möchten endlich ihre Seele befreien und so leben, wie es ihrem Naturell entspricht. Die Persönlichkeit möchte sich entfalten, wie bei jedem anderen Menschen auch. Nur bei Transsexuellen passen nun mal Geist, Seele und Körper nicht zusammen, deshalb brauchen sie rechtliche, psychologische und medizinische Hilfe, bis sie den Zustand erreicht haben, mit dem sie Leben können. Nun dies könnte relativ einfach sein, wenn Transsexuelle in einem Umfeld leben würden, daß Ihnen ihren Weg, der nun mal sehr lang und steinig ist, erleichtern würde. Denn Transsexuelle sind keine pauschal leidenden oder
kranken Menschen, sondern Menschen wie jeder andere auch. Wir haben auch Berufe, wir haben Familien, wir haben Freunde und alles, was wir nach unserem Geschlechtswechsel haben wollen, ist ein Leben, was wir genießen können. Also wieder ein Bedürfnis, was jeder andere Mensch auch hat. Viele Transsexuelle schaffen diesen Weg auch und schon allein dies ist ein Grund, daß wir heute hier mitfeiern.

Leider gibt es auch die Kehrseite der Medaille: Viele Menschen begegnen Transsexuellen immer noch mit Argwohn, Unverständnis und Intoleranz. Diese Diskriminierung führt bei vielen zu einer extremen Frustsituation, die bei einigen, die vielleicht seelisch nicht so stark sind, mitunter bis zum Selbstmord führen kann. Solche Situationen kann man vermeiden, nämlich durch eine geduldige und vernünftige Auseinandersetzung mit dem Thema Transsexualität, die man am besten durch Aufklärungsarbeit in öffentlichen Medien und auch im Unterricht in den Schulen erreichen kann, wie es zum Beispiel im Sexualkundeunterricht von einigen Berliner Schulen der Fall ist.

Um die Situation von transidentischen Menschen zu verbessern, gibt es vielfältige Möglichkeiten. Zum Beispiel eine Vereinfachung bei Krankenkassen und anderen Behörden, die es Transsexuellen ermöglicht auch schon vor einer gesetzlichen Vornamensänderung Papiere zu bekommen, die sie für ihr Alltagsleben brauchen. Denn es geht einfach nicht, daß ein Mensch Papiere hat, die nicht mehr seinem Erscheinungsbild entsprechen. Des weiteren tut eine Novellierung des Transsexuellengesetzes not.

Für Schwule und Lesben gibt es die eingetragene Partnerschaft.Transsexuelle dürfen erst nach ihrer Personenstandsänderung, die erst nach einer geschlechtsanpassenden Operation möglich ist, heiraten bzw. eine eingetragene Partnerschaft als Männer oder Frauen führen. Es ist eine eklatante Ungerechtigkeit, daß eine Transsexuelle unverheiratet sein muß um eine Personenstandsänderung zu bekommen und es ist genauso schlimm, daß bei einer Transsexuellen die Vornamensänderung rückgängig gemacht wird, wenn sie vor ihrer Personenstandsänderung heiraten möchte.

Aufgrund der fehlenden Öffentlichkeitsarbeit werden viele transsexuelle Frauen als Männer in Frauenkleidung beschimpft und ausgegrenzt. Dies liegt daran, daß Transfrauen oft mit Transvestiten verwechselt werden. Für Transvestiten, die nun mal Männer sind und auch bleiben wollen, ist das tragen von weiblicher Kleidung nur ein Spaß. Für Transfrauen hingegen ist es der Ausdruck ihrer Geschlechtsidentität. Transsexuelle Frauen sind Frauen, transsexuelle Männer sind Männer.

Stehen wir gemeinsam für eine Zukunft, die uns ein Leben in Akzeptanz und Toleranz ermöglicht.

(c) Melanie Sophia Nayyal